Sonntag, 13. November 2011

Reform der EU-Beihilfevorschriften für öffentliche Dienstleistungen


Debatten auf europäischer Ebene um öffentliche Dienstleistungen werden per se kontrovers geführt. Das liegt zum einen daran, dass die sogenannten „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ eine entscheidende Rolle für den einzelnen Bürger spielen und dass sie darüber hinaus von enormer Bedeutung für den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand sind. Außerdem werden die Leistungen in Deutschland vielfach von kommunalen Betrieben wahrgenommen oder von Kommunen in Auftrag gegeben. Dies berührt immer auch die Frage des Selbstverwaltungsrechts von Kommunen und damit auch die der Subsidiarität.

Die Vielfalt derartiger Dienstleistungen ist groß und wird von jedem Mitgliedstaat selbst definiert. In Deutschland zählen dazu beispielsweise Bildungs- und Kultureinrichtungen, Müllabfuhr, Abwasserbeseitigung oder auch Krankenhäuser und Pflegeheime.


Wenn die Dienstleistungen von privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen durchgeführt werden, erhalten sie dafür staatliche Ausgleichszahlungen, die den europäischen Wettbewerbsregeln – und damit auch den Beihilfebestimmungen der EU – unterliegen. Diese sind 2005 von der EU-Kommission mit einer Geltungsdauer bis zum Ende 2011 festgelegt worden. Die erforderliche Überarbeitung der Regelungen ist Anlass des Initiativberichts des Europäischen Parlaments, über den wir am Dienstag abstimmen.


Der Bericht stellt allgemein fest, dass die Reform der Beihilfevorschriften der beschriebenen besonderen Funktion der Dienstleistungen Rechnung tragen muss. Ferner soll sie unter strikter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips erfolgen und sicher stellen, dass die öffentlichen Dienstleistungen mit hoher Qualität und für alle Bevölkerungsschichten erbracht werden. Entsprechend der Ergebnisse einer öffentlichen Konsultation, die die EU-Kommission im vergangenen Jahr durchgeführt hat, unterstützen wir Europaabgeordneten die Bestrebungen, den Verwaltungs- und Kontrollaufwand insgesamt zu verringern. Die Grenze von derzeit 30 Millionen Euro Auftragsvolumen, ab der die Dienstleistungsunternehmen eine Ausnahme von der Verpflichtung beantragen können, staatliche Ausgleichszahlungen bei der Kommission anzuzeigen, sollte aber entgegen den aktuellen Vorschlägen der Europäischen Kommission nicht verringert sondern sogar erhöht werden. Außerdem sollen weitere Ausnahmemöglichkeiten für Dienstleistungen mit lokal begrenztem Tätigkeitsbereich sowie für soziale Dienstleistungen gefunden werden.


Der Hauptstreitpunkt während der zurückliegenden Verhandlungen war rechtstheoretischer Natur und ging über die Frage der Beihilfen hinaus: Es ging darum, ob und wenn ja auf welcher Basis das allgemeine Regelwerk für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse fußen soll. Wir SPD-Abgeordneten sind für eine Lösung auf Basis der Regeln des Lissabon-Vertrages eingetreten. Der gefundene Kompromiss sieht vor, dass wir Europaabgeordneten die EU-Kommission auffordern, bis Ende 2011 eine Mitteilung mit Maßnahmen vorzulegen, die sicherstellen, dass öffentliche Dienstleistungen einen rechtlichen Rahmen erhalten. Die kontroversen Diskussionen werden also demnächst fortgesetzt…


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